{"id":8217,"date":"2020-05-25T17:03:59","date_gmt":"2020-05-25T15:03:59","guid":{"rendered":"https:\/\/www.bayerische-chemieverbaende.de\/?p=8217"},"modified":"2020-11-06T09:43:15","modified_gmt":"2020-11-06T08:43:15","slug":"fluorchemie","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.bayerische-chemieverbaende.de\/fluorchemie\/","title":{"rendered":"Fluorchemie rettet (auch) Leben \u2013 rettet die Fluorchemie!"},"content":{"rendered":"
Beschr\u00e4nkung von Fluorchemie \u2013 Sachlichkeit und Augenma\u00df statt undifferenzierter \u201eVerboteritis\u201c<\/strong><\/p>\n Chemikalienabweisende Schutzkleidung, Brennstoffzellmembranen, Medizinprodukte, Schutzwesten oder Filtermembrane \u2013 nur einige Beispiele von Produkten, die sogenannte fluorierte Polymere oder Fluorpolymere beinhalten. Diese Hightech-Werkstoffe finden aufgrund Ihrer einzigartigen Eigenschaften \u2013 darunter auch ihrer hohen Best\u00e4ndigkeit \u2013 vielfach (unersetzbare) Anwendung in modernen Technologien und Produkten<\/span><\/a><\/span>.<\/p>\n [cl-popup btn_label=“Mehr zu fluorierten Polymeren und Fluorpolymeren“ btn_bgcolor=“#1e73be“ btn_color=“#ffffff“]<\/p>\n F\u00fcr die Herstellung fluorierter Polymere oder Fluorpolymere sind \u2013 entweder als Emulgatoren oder zur Modifikation von Polymerseitenketten \u2013 niedermolekulare Perfluorcarbone (PFCs, PFAS, auch perfluorierte Kohlenwasserstoffe, Fluorcarbone oder Per- und Polyfluoralkylverbindungen genannt) n\u00f6tig, also teilweise oder vollst\u00e4ndig mit Fluor substituierte Kohlenstoffverbindungen. Diese sind u.a. aufgrund deren hoher Persistenz, deren Mobilit\u00e4t in und zwischen Umweltkompartimenten und z.T. auch bioakkumulierender sowie (repro)toxischer Profile im Fokus der Umweltregulierung. So hatte man 2017 (effektiv in 2020) die auf C8-K\u00f6rpern basierende Fluorchemie mit der Leitsubstanz „Perfluoroctans\u00e4ure“ (PFOA) \u00fcber die europ\u00e4ische REACH-Verordnung in einem Beschr\u00e4nkungsverfahren (und bald \u00fcber die POP-Verordnung) weitgehend \u2013 mit nur wenigen zeitlich begrenzten Ausnahmen \u2013 verboten.<\/p>\n <\/p>\n In diesem Verfahren hatte man \u2013 nicht zuletzt aufgrund des deutlich besseren toxikologischen Profils \u2013 die C6-Fluorchemie mit der Leitsubstanz „Perfluorhexans\u00e4ure“ (PFHexA) als Alternative und M\u00f6glichkeit zur Substitution beschrieben. Denn die o.g. Bedenken hinsichtlich potentieller Umwelt- und Gesundheitsgefahren treffen bei weitem nicht f\u00fcr alle niedermolekularen PFCs gleicherma\u00dfen zu \u2013 z.B. erf\u00fcllt PFHexA nicht die Kriterien, um gem\u00e4\u00df der REACH-Verordnung als substance of very high concern<\/em> (SVHC) klassifiziert zu werden, normalerweise eine wesentliche Voraussetzung um Verbotsverfahren unter REACH einzuleiten.<\/p>\n [\/cl-popup]<\/p>\n <\/p>\n Trotzdem m\u00f6chte man der C6-Fluorchemie \u2013 als nunmehr letzter verbliebener Bastion \u2013 regulatorisch \u00fcber ein REACH-Beschr\u00e4nkungsverfahren den Garaus machen und nur noch wenige Ausnahmen zulassen.<\/p>\n [cl-popup btn_label=“Mehr zu den vorgesehenen Beschr\u00e4nkungen unter der EU-Chemikalienverordnung REACH“ btn_bgcolor=“#1e73be“ btn_color=“#ffffff“] <\/p>\n Seit M\u00e4rz 2020 steht ein REACH-Beschr\u00e4nkungsvorschlag f\u00fcr \u201ePFHexA und verwandte Verbindungen\u201c zur Konsultation<\/a><\/span> \u2013 er bezieht sich auf die Herstellung, Verwendung und Vermarktung von C6-Fluorchemie-PFCs als Stoffe, in Formulierungen und in Erzeugnissen und gilt daher u.a. auch f\u00fcr fluorierte \u201eC6-Polymere\u201c \/ Fluorpolymere, da hier durch Abbau-\/Diffussionsprozesse niedermolekulare PFCs in geringem Ma\u00dfe freigesetzt werden k\u00f6nnen.<\/p>\n <\/p>\n In einem schablonenhaften Ansatz zur C8-Beschr\u00e4nkung schl\u00e4gt der Dossier-Ersteller \u2013 das deutsche Umweltbundesamt (UBA) \u2013 extrem niedrige Grenzwerte f\u00fcr Verunreinigungen von 25 ppb f\u00fcr PFHxA und 1000 ppb f\u00fcr PFHxA-verwandte Stoffe vor. Bei Erf\u00fcllung b\u00fcrokratischer j\u00e4hrlicher Berichtspflichtensind sind zwar auch hier einige Ausnahmen vorgesehen, u.a. f\u00fcr bestimmte Schutzausr\u00fcstung der Risikokategorie III sowie medizinische Textilien aus Vliesstoffen. Viele Hightech-Anwendungen bleiben aber au\u00dfen vor (wie z.B. Brennstoffzellmembranen, medizinische Textilien bzw. Medizinprodukte, die nicht aus Vliesstoff bestehen sondern gewebt sind, Textilbeschichtung (Schutzwesten), usw.).[\/cl-popup]<\/p>\n <\/p>\n In der zugrundeliegende Risikobewertung stellt das Umweltbundesamt ausdr\u00fccklich fest, dass Perfluorhexans\u00e4ure weder als CMR-Stoff (krebserzeugend, erbgutver\u00e4ndernd\/mutagen, reproduktionstoxisch\/fortpflanzungsgef\u00e4hrdend) oder als endokriner Disputor (hormonsch\u00e4dlich) eingestuft ist, noch die PBT\/vPvB-Kriterien erf\u00fcllt (P = persistent\/langlebig, B = bioakkumulierend\/in der Nahrungskette anreichernd). Deshalb ist Perfluorhexans\u00e4ure auch nicht als sog. besonders besorgniserregender Soff (SVHC) unter der EU-Chemikalienverordnung REACH gelistet. Das UBA stellt weiterhin fest dass es aktuell keine Hinweise auf ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko gibt und es auch nicht wahrscheinlich ist, dass die Exposition ein Level erreicht, das kritisch f\u00fcr die menschliche Gesundheit w\u00e4re. Lediglich aufgrund der Langlebigkeit erkennt das UBA ein m\u00f6gliches Risiko in der Zukunft, legt dazu aber keinerlei Beweise vor. Jegliche Emission wird auf dieser Basis als inakzeptables Risiko klassifiziert.<\/p>\n <\/p>\n Und hier setzt auch die Kritik der Industrieverb\u00e4nde an, die sich bereits vielfach in die Konsultation eingebracht haben (und weitere Stellungnahmen vorbereiten):<\/p>\n Weitere Industriestakeholder – Hersteller und insbesondere Anwender – sollten dringend deren individuelle Betroffenheit pr\u00fcfen und sich ebenso in die noch bis 25. September 2020 laufende Konsultation<\/a><\/span> einbringen!<\/strong><\/p>\n Es bleibt zu hoffen, dass die Beh\u00f6rden die seitens der Industrieverb\u00e4nde eingebrachten Kommentare auch ernst nehmen, Sachlichkeit und Fachlichkeit politischem Ideologiedenken voranstellen und sozio\u00f6konomische Auswirkungen in einer ernsthaften Folgenabsch\u00e4tzung ber\u00fccksichtigten. Denn das Thema \u201eFluorchemie\u201c ist nicht zuletzt auch aus bayerischer Perspektive ein wichtiges Thema: Mit dem faktischen Verbot s\u00e4mtlicher Fluorchemie und Begrenzung auf wenige (politisch festgelegte) Anwendungen w\u00e4re der Standort Bayern stark getroffen, der gleicherma\u00dfen Anwender und Hersteller von fluorierten Polymeren \/ Fluorpolymeren auf modernsten Niveau beheimatet.<\/p>\n <\/p>\n Dabei wehrt sich die chemische Industrie keineswegs gegen eine Beschr\u00e4nkung f\u00fcr Alltagsartikel wie z.B. Regenjacken (wof\u00fcr gute Alternativen f\u00fcr Wasserabweisung zur Verf\u00fcgung stehen). Leider wurden aber viele essentielle technische Anwendungen, u.a. f\u00fcr die Chemikalienabweisung, nicht ad\u00e4quat ber\u00fccksichtigt. Auch ist die Gefahr gro\u00df, dass in den weitverzweigten Wertsch\u00f6pfungsketten vielerlei Anwendungsfelder bislang noch gar nicht identifiziert wurden. In der aktuellen Corona-Krise ist es daher dringend geboten, die starren Fristen des Restriktionsverfahrens zu verl\u00e4ngern, da Unternehmen aus Ressourcen-Gr\u00fcnden kaum in der Lage sind, ein solch komplexen Sachverhalt sowie die Auswirkungen in der Wertsch\u00f6pfungskette vollumf\u00e4nglich zu bewerten. Bislang erw\u00e4gt die europ\u00e4ische Chemikalienagentur ECHA nur in Einzelf\u00e4llen, die jeweils individuell begr\u00fcndet werden m\u00fcssen, eventuell auch sp\u00e4tere Kommentare zu ber\u00fccksichtigen \u2013 ganz so, als treffe die EU nicht gerade einer der schwersten Wirtschaftskrisen der Nachkriegszeit.<\/p>\n <\/p>\n Auch m\u00fcssen sozio\u00f6konomischen Auswirkungen st\u00e4rker in den Fokus r\u00fccken. Es ist unbestritten, dass viele Hightech-Anwendungen (wie z.B. bestimmte Schutzleidung oder wichtige Innovationen wie Brennstoffzellen mit entsprechender Membrantechnologie) weiterhin ben\u00f6tigt werden. Und es ist dar\u00fcber hinaus auch nicht absehbar, welche zuk\u00fcnftigen Anwendungen noch dringend auf die einzigartigen Eigenschaften der Polymere auf Fluorchemie-Basis angewiesen sein werden. Verbietet man in der EU die C6-Fluorchemie wird der Bedarf an Anwendungen auf dieser Basis nicht verschwunden sein \u2013 vielmehr werden ganze Wertsch\u00f6pfungsketten in das EU-Ausland mit geringeren Umweltstandards verlagert (environmental leakage) und fertige Erzeugnisse dann importiert. Zukunftsinnovationen sind auf dieser technologischen Basis dann in der EU auch nicht m\u00f6glich. Das alles hilft weder der Umwelt, noch der europ\u00e4ischen Innovationskraft oder gar dem hiesigen Arbeitsmarkt, sondern schafft weitere Lieferabh\u00e4ngigkeiten und erh\u00f6ht ggf. sogar die weltweiten PFC-Emissionen. So warnt der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie in einem aktuellen Presseartikel<\/span><\/a><\/span> davor, dass aufgrund (chemikalienrechtlicher) EU-Umweltauflagen k\u00fcnftig keine Masken oder andere medizinische Schutzausr\u00fcstung mehr in der EU produziert werden k\u00f6nnen. Und auch die s\u00fcddeutschen Textilverb\u00e4nde (S\u00fcdwesttextil und VTB) warnen seit einiger Zeit mit deutlichen Worten vor Schutzzielkonflikten in der europ\u00e4ischen Chemikaliengesetzgebung<\/a><\/span> \u2013 bez\u00fcglich der C6-Fluorchemie sogar schon seit 2016<\/span><\/a><\/span>.<\/p>\n <\/p>\n Auch w\u00e4ren grunds\u00e4tzliche Fragen von Emissionsquellen zu er\u00f6rtern. Die Haupteintragsquellen in die Umwelt (z.B. durch Aerosole bei der Teflonherstellung, L\u00f6schsch\u00e4ume und\/oder Feuerl\u00f6sch\u00fcbungspl\u00e4tze, Produktionsabw\u00e4sser, etc.) sind bereits weitgehend eliminiert bzw. werden durch die kontinuierliche technologische Weiterentwicklung und dynamische Betreiberpflichten zum Einhalt des Standes der Technik in der EU weitgehend minimiert bzw. eliminiert (was in Nicht-EU-L\u00e4ndern nicht zwingend der Fall ist). Der zuk\u00fcnftige Eintrag in die Umwelt beschr\u00e4nkt sich daher prim\u00e4r auf \u201eAbrieb\u201c in Erzeugnissen oder auf extreme Brandereignisse, bei denen fluorierte Feuerl\u00f6schsch\u00e4ume aus Sicherheitsgr\u00fcnden doch noch eingesetzt werden m\u00fcssen. Auch diese Fragen m\u00fcssen bei der Abw\u00e4gung mit der auf der anderen Seite umweltsch\u00fctzenden Anwendungsfeldern (z.B. Ultrafiltration durch Membranen in der Abwasserreinigungstechnologie) sorgf\u00e4ltig abgewogen werden.<\/p>\n <\/p>\n Und all diesen Fragen zum Trotz und obwohl die Konsultation des Beschr\u00e4nkungsdossiers f\u00fcr PFHexA noch l\u00e4uft, holen die Beh\u00f6rden \u2013 noch mitten in der Corona-Krise \u2013 \u00fcbrigens schon zum n\u00e4chsten regulatorischen Schlag aus. Die f\u00fcr REACH zust\u00e4ndigen Beh\u00f6rden Deutschlands, der Niederlande, D\u00e4nemarks, Schwedens und Norwegens, bereiten derzeit eine Analyse der Beschr\u00e4nkungsm\u00f6glichkeiten f\u00fcr die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung aller<\/strong> Per- und Polyfluoralkylverbindungen (PFAS) in der EU<\/a><\/span> vor. Das m\u00f6gliche Datum des Inkrafttretens dieser Beschr\u00e4nkung wird f\u00fcr das Jahr 2025 erwartet. Derzeit l\u00e4uft hierzu ein sogenanter \u201eCall for evidence<\/span><\/a>\u201c mit Einreichungsfrist bis zum 31. Juli 2020<\/strong>. Stakeholder sind aufgerufen, in einem Fragebogen spezifische Informationen zu den PFAS-Stoffen, deren Verwendungen und Funktion, Mengen bzw. Verunreinigungen in Erzeugnissen, Migration\/Freisetzung aus Erzeugnissen, Alternativstoffen f\u00fcr einzelne Verwendungen und Reformulierungskosten etc. anzugeben<\/p>\n Hersteller und Anwender sollten auch in diesem Prozess dringend pr\u00fcfen, ob sie betroffen sind und Informationen zu den Verwendungen der betreffenden Stoffe beisteuern m\u00f6chten oder k\u00f6nnen.<\/strong><\/p>\n Um betroffene Unternehmen und Fachverb\u00e4nde zu unterst\u00fctzen, stellt die \u201cFluoropolymers Product Group<\/a>\u201d, eine PlasticsEurope-Sektorgruppe, Informationen zur Beantwortung des Fragebogens bereit (Guide to Responding to Questionnaire<\/a><\/span>, Factsheets<\/a><\/span>) bereit. Der europ\u00e4ische Chemieverband Cefic hat sich ebenfalls mit einer Positionerung<\/a><\/span> in die Konsultation eingebracht.<\/p>\n <\/p>\n Bildquelle: pixabay_surgery-688380<\/em><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Beschr\u00e4nkung von Fluorchemie \u2013 Sachlichkeit und Augenma\u00df statt undifferenzierter \u201eVerboteritis\u201c Chemikalienabweisende Schutzkleidung, Brennstoffzellmembranen, Medizinprodukte, Schutzwesten oder Filtermembrane \u2013 nur einige Beispiele von Produkten, die sogenannte fluorierte [\u2026]<\/span><\/p>\n","protected":false},"author":522,"featured_media":8224,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_acf_changed":false,"ngg_post_thumbnail":0,"footnotes":""},"categories":[581,374,86,361,709],"tags":[1068,1047,974,1070,1069,65,1045,670],"class_list":["post-8217","post","type-post","status-publish","format-standard","has-post-thumbnail","hentry","category-industriepolitik","category-innovation-technologie","category-nachhaltigkeit","category-stoffpolitik","category-umweltpolitik","tag-fluorchemie","tag-industrielle-wertschoepfung","tag-loesungsindustrie","tag-perfluorhexansaeure","tag-pfhexa","tag-reach","tag-wertschoepfungsketten","tag-wirtschaftliche-rahmenbedingungen"],"acf":[],"yoast_head":"\n\n