{"id":7980,"date":"2020-02-18T10:46:54","date_gmt":"2020-02-18T09:46:54","guid":{"rendered":"https:\/\/www.bayerische-chemieverbaende.de\/?p=7980"},"modified":"2020-02-18T10:49:34","modified_gmt":"2020-02-18T09:49:34","slug":"klimapolitik-in-der-sackgasse-interview-mit-prof-dr-rudolf-staudigl-und-prof-dr-robert-schloegl","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.bayerische-chemieverbaende.de\/klimapolitik-in-der-sackgasse-interview-mit-prof-dr-rudolf-staudigl-und-prof-dr-robert-schloegl\/","title":{"rendered":"„Klimapolitik in der Sackgasse?“ – Interview mit Prof. Dr. Rudolf Staudigl und Prof. Dr. Robert Schl\u00f6gl"},"content":{"rendered":"

\u201eKlimapolitik in der Sackgasse?\u201c
\n<\/strong><\/h2>\n

Erstellt von „Artikel 13. Februar 2020 – Alt-Neu\u00f6ttinger Anzeiger“<\/span><\/p>\n

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Prof. Schl\u00f6gl (Wissenschaft) und Prof Staudigl (Industrie) zu Chancen und Risiken<\/p>\n<\/div>\n

Die Energiewende in Deutschland ist politisch beschlossen. Das ehrgeizige Ziel, klimaneutral zu werden, bestimmt die \u00f6ffentliche Diskussion. Aber sind die Ziele realistisch? Hat man die richtigen Ans\u00e4tze, um die Ziele zu erreichen? Zu diesen Fragen stehen f\u00fcr die Wissenschaft Prof. Dr. Robert Schl\u00f6gl und f\u00fcr die Industrie Prof. Dr. Rudolf Staudigl, Vorstandsvorsitzender der Wacker Chemie, Rede und Antwort.<\/p>\n

Prof. Schl\u00f6gl, Prof. Staudigl, Sie bekennen sich zur Notwendigkeit, dem Klimawandel zu begegnen und setzen zugleich auf erneuerbare Energien. Das klingt wie das Regierungsprogramm. Und doch \u00fcben Sie an der Energiewende, wie sie in Deutschland angestrebt wird, deutliche Kritik. Wie passt das zusammen?<\/em>
\nProf. Robert Schl\u00f6gl:<\/b> In der politischen Diskussion stehen vor allem ehrgeizige Ziele, die wir erreichen sollen, im Vordergrund. Jahreszahlen werden in den Raum gestellt. Aber die Wege, wie die Klimaziele zu erreichen sind, werden eigentlich \u00fcberhaupt nicht diskutiert. Geschweige, dass man zielf\u00fchrend handeln w\u00fcrde. Lassen Sie es mich bildhaft sagen: Das Ganze ist wie ein Eisberg. Und da wird nur an der Spitze gekratzt.<\/p>\n

Aber das Zauberwort hei\u00dft doch erneuerbare Energien, eben aus Wind- und Solarkraft. Worauf wollen Sie hinaus?<\/em>
\nProf. Schl\u00f6gl:<\/b> Wir m\u00fcssen eingestehen, dass erstens die Energiewende nicht nur eine Aufgabe f\u00fcr Deutschland allein sein kann, sondern weltweit Handlungsbedarf besteht. Und zweitens, wenn wir in Deutschland Ernst machen, werden wir niemals unseren Energiebedarf allein aus inl\u00e4ndischen Quellen decken k\u00f6nnen.<\/p>\n

Und das bedeutet?<\/em>
\nProf. Schl\u00f6gl:<\/b> Das bedeutet, dass wir wie bei fossilen Energietr\u00e4gern auch bei erneuerbarer Energie auf Importe angewiesen sind. Im Augenblick stammt die Energie etwa zu 20 Prozent aus inl\u00e4ndischen Quellen, der Rest wird importiert. Ein \u00e4hnliches Verh\u00e4ltnis ist auch bei erneuerbaren Energien realistisch. Weltweit steht das Zwanzigtausendfache des aktuellen Weltbedarfs an erneuerbarer Energie zur Verf\u00fcgung. Wie k\u00f6nnen wir also erneuerbare Energien \u00fcber weite Strecken transportf\u00e4hig machen?<\/p>\n

Sie denken an \u00dcberlandtrassen, wie sie bereits in Deutschland umstritten sind? Ist das realistisch, zumal aus Sicht der Industrie?<\/em>
\nProf. Rudolf Staudigl:<\/b> Diese Stromtrassen, so wie sie in Deutschland geplant sind, werden in jedem Fall gebraucht, um Elektrizit\u00e4t aus erneuerbaren Quellen, aus den Windkraftwerken im Norden und den Solaranlagen im S\u00fcden deutschlandweit bereit zu stellen. Aber das ist nur ein Aspekt. Wenn wir europaweit denken, dann k\u00f6nnten sich in so sonnenreichen Staaten und Regionen wie in Griechenland, auf dem Balkan oder in Spanien enorme Mengen an Solarenergie ernten und auch exportieren lassen. Das funktioniert nicht nur \u00fcber \u00dcberlandleitungen, sondern auch mit Hilfe katalytisch hergestellter Produkte wie Wasserstoff oder Methanol.
\nProf. Schl\u00f6gl:<\/b> Der Export und Transport, ja die weltweite Verteilung der Energie, kann hervorragend \u00fcber chemische Stoffumwandlung geschehen. Zum Beispiel durch die Nutzung von Solarstrom, dort, wo der leicht f\u00fcr Elektrolyse zu gewinnen ist: Wasser wird mittels Elektrizit\u00e4t aus erneuerbaren Quellen in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Der Wasserstoff kann dann nicht nur \u00fcber Pipelines \u00fcber weite Strecken transportiert, sondern auch mit Kohlenstoff zu weiteren energiereichen Verbindungen ausgebaut und in Tankschiffen transportiert werden. Dort, wo die Energie gebraucht wird, kann sie zur\u00fcckverwandelt werden. Da k\u00f6nnen Sie Solarstrom oder Windkraft selbst in Feuerland ernten und trotz Transport immer noch einen respektablen Wirkungsgrad erzielen. Pflanzen nutzen nur ein halbes Prozent der Sonnenenergie; in der Technik sind \u00fcber 20 Prozent realistisch.<\/p>\n

Das klingt nach Science Fiction.<\/em>
\nProf. Staudigl:<\/b> Science ja, aber nicht Fiction. Wie wir Energie umwandeln und transportieren k\u00f6nnen, das ist wissenschaftlich klar. Das ist alles gut erforscht. Deutschland ist in der Katalyse seit 100 Jahren in der Forschung aktiv und weltweit in der Anwendung f\u00fchrend. Und das gilt auch f\u00fcr den Anlagenbau, um diese Prozesse zu beherrschen und wirtschaftlich durchzuf\u00fchren.
\n\u2002Prof. Schl\u00f6gl:<\/b> Die Industrie als Ganzes ist v\u00f6llig in der Lage, die Aufgabe zu meistern, die technischen L\u00f6sungen bereit zu stellen.
\nAber woran hakt es dann in der Praxis?<\/em>
\nProf. Staudigl:<\/b> Es hakt daran, dass die Energiewende kein richtiges Management hat. Da hat man erst Ausstieg und Abschaltung beschlossen, ohne sich rechtzeitig um den Aufbau von neuen Infrastrukturen zur Versorgung mit Energie zu k\u00fcmmern. Da wird Verwaltung als Management missverstanden. Da wird die Thematik zersplittert, anstatt als Gesamtaufgabe verstanden zu werden. Nat\u00fcrlich sind auch die Bereiche wie Verkehr oder Heizung wichtig. Aber schaut man aufs Ganze, dann sieht man doch, dass die Industrie einen enormen Energieverbrauch und damit auch Anteil am CO\u00b2<\/b>-Aussto\u00df hat. Und der k\u00f6nnte deutlich reduziert werden, wenn man der Industrie den Umstieg auf elektrische Energie als Basis der Produktion wirtschaftlich schmackhaft macht.
\nUnd wie sollte das geschehen?<\/em>
\nProf. Staudigl:<\/b> Das k\u00f6nnte dadurch geschehen, dass man die Elektrizit\u00e4t zun\u00e4chst einmal von allen politisch bedingten Steuern und Abgeben befreit. Ich betone immer wieder, dass der Strompreis f\u00fcr energieintensive Unternehmen unter vier Cent je Kilowattstunde liegen muss. Mit einem niedrigen Strompreis und mehr und mehr Strom aus regenerativen Quellen kann die Chemieindustrie sehr schnell Klimaneutralit\u00e4t erreichen. Und mit ihren Produkten tr\u00e4gt sie sowieso ganz massiv zur CO\u00b2<\/b>-Reduktion der gesamten Industrie und der Verbraucher bei. Staat und Politik wiederum sollten die notwendigen Rahmenbedingungen setzen und f\u00fcr die Infrastruktur sorgen.<\/p>\n

Was darf man sich darunter vorstellen?<\/em>
\n\u2002Prof. Staudigl:<\/b> Verl\u00e4ssliche politische Rahmenbedingen, das hei\u00dft, dass sie eine lange G\u00fcltigkeit haben und nicht permanent kurzfristig ge\u00e4ndert werden. Investitionen f\u00fcr Jahrzehnte m\u00fcssen kalkulierbar bleiben. Zweitens brauchen wir weltweit wettbewerbsf\u00e4hige niedrige Strompreise. Und das dritte ist, dass die notwendige Infrastruktur aufgebaut wird \u2013 wie Stromleitungen und Pipelines zum Transport von Wasserstoff, aber auch Kraftwerke, in denen Wasserstoff in elektrische Energie umgesetzt wird. Wie so eine langfristig angelegte Umstellung funktionieren kann, das hat die deutsche Politik vor gut 50 Jahren bewiesen, als erstmals Kohle weitgehend durch Erd\u00f6l abgel\u00f6st sowie Pipelines und Raffinerien gebaut wurden.<\/p>\n

So schnell wird sich aber so ein Technologiewandel nicht bewerkstelligen lassen.<\/em>
\nProf. Schl\u00f6gl:<\/b> Sicher nicht. Aber wir m\u00fcssen damit anfangen. Wir k\u00f6nnen als Zwischenschritt, bevor ein weltweites Versorgungsnetz, so wie es jetzt f\u00fcr fossile Rohstoffe besteht, durch ein Versorgungsnetz f\u00fcr Energietr\u00e4ger auf Basis erneuerbarer Energien ersetzt ist, Erdgas als Br\u00fcckentechnologie nutzen, Wasserstoff aus Erdgas gewinnen. Das w\u00fcrde die CO\u00b2<\/b>-Bilanz deutlich verbessern und den Einstieg in die Wasserstoff-Technologie voranbringen. Frankreich ist hier bereits aktiv\u2026<\/p>\n

Aber\u2026<\/em>
\nProf. Schl\u00f6gl:<\/b> Lassen Sie mich das noch weiterdenken: Wir bleiben ja in der Technologie nicht nur auf reinen Wasserstoff beschr\u00e4nkt. Wir k\u00f6nnen die Verbindungen noch weiter ausbauen, um einen sicheren Transport \u00fcber weite Strecken zu erm\u00f6glichen, zum Beispiel durch Einbindung von Kohlenstoff. Ich denke da auch an \u2013 gewisserma\u00dfen Sekund\u00e4r \u2013 -Kohlenstoff aus Kunststoff-Abf\u00e4llen. Aber dann sollte dieser Kohlenstoff, der ja nicht mehr aus fossilen Quellen stammt, sondern aus dem Wirtschafts- und Klimakreislauf, nicht wieder mit Abgaben belastet werden. Sonst wird man diese Technologie aus wirtschaftlichen Gr\u00fcnden nicht in Angriff nehmen, obwohl sie keine weitere Belastung des Klimas, sondern eine St\u00fctzung des Wasserstoffkreislaufs bedeutet.<\/p>\n

Deshalb also Ihre Forderung, statt auf Dekarbonisierung, Defossilisierung in der Energiewirtschaft zu setzen.<\/em>
\nProf. Schl\u00f6gl:<\/b> Exakt.<\/p>\n

Wie sehen Sie denn den Zeitrahmen f\u00fcr die Politik, um endlich die Weichen f\u00fcr eine nachhaltige Klimapolitik, wie Sie sie sehen, zu stellen? Ist es nicht schon zu sp\u00e4t?<\/em>
\nProf. Schl\u00f6gl: <\/b>Ich w\u00fcrde sagen, es ist 5 vor 12.
\n\u2002Prof. Staudigl:<\/b> Eher 2 vor 12. Der Klimawandel zwingt zum Handeln. Au\u00dferdem ist es auf Dauer unverantwortlich, fossile Ressourcen wie Erd\u00f6l und Erdgas zu verbrennen. Das sind auch Rohstoffe f\u00fcr wertvolle Produkte f\u00fcr die wachsende Weltbev\u00f6lkerung.<\/p>\n

Wird das Problem in der Politik nicht verstanden? Gerade die Kanzlerin, Frau Merkel, ist doch promovierte Physikerin, ihr Mann ein renommierter Chemiker. Mehr naturwissenschaftliche Kompetenz war noch nie an der Spitze einer Bundesregierung.<\/em>
\nProf. Schl\u00f6gl:<\/b> Ja, das trifft sicher zu. Die Kanzlerin kann dennoch, auch wenn sie genau versteht, nicht einfach handeln. Was ich allerdings vermisse, ist ein klares Bekenntnis zu einer langfristigen und verl\u00e4sslichen Strategie.<\/p>\n

Und wie schaut es weltweit aus? Nun sind ja gerade Industrie- und Techniknationen wie Japan und China stark auf Energieimporte angewiesen und sich durchaus der Umweltproblematik der fossilen Rohstoffe bewusst.<\/em>
\nProf. Staudigl: <\/b>Das stimmt. Und dort herrscht auch gro\u00dfes Interesse an Technologien, erneuerbare Rohstoffe, zum Beispiel mittels Gewinnung von Wasserstoff oder Kohlenwasserstoffen zu nutzen und \u00fcber weite Strecken zu transportieren.<\/p>\n

Bleibt schlie\u00dflich die Frage nach dem Preis.<\/em>
\nProf. Schl\u00f6gl:<\/b> Letztendlich werden wir alle den Preis der Energiewende mittragen m\u00fcssen. Wenn sie nicht gelingt und der Klimawandel, menschengemacht, fortschreitet, mit dem Verlust von Lebensgrundlagen. Und wenn die Wende gelingen soll, dann m\u00fcssen wir uns \u00fcberlegen, ob die Politik den Wandel \u00fcber Steuern und Abgaben oder die Industrie und Wirtschaft \u00fcber die Preise finanzieren soll.
\n\u2002Prof. Staudigl:<\/b> Und wenn man das Modell, wie vorgeschlagen, angefangen von der Entlastung der Strompreise \u00fcber den Ausbau der erneuerbaren Energien und F\u00f6rderung von Forschung bis zum Aufbau von Pilotanlagen konsequent umsetzt, dann sichert sich Deutschland zugleich einen Vorsprung in einer Schl\u00fcsseltechnologie, dazu Arbeitspl\u00e4tze und eine respektable Wertsch\u00f6pfung im Export dieser Technologien.<\/p>\n

Interview: Ernst Deubelli<\/p>\n<\/div>\n

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 <\/p>\n

Quelle: Alt-Neu\u00f6ttinger\/Burghauser Anzeiger\/Passauer Neue Presse<\/em><\/p>\n

Originaldarstellung des Artikels<\/span><\/a><\/p>\n<\/div>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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