{"id":7036,"date":"2019-04-08T14:48:50","date_gmt":"2019-04-08T12:48:50","guid":{"rendered":"https:\/\/www.bayerische-chemieverbaende.de\/?p=7036"},"modified":"2019-06-07T13:32:34","modified_gmt":"2019-06-07T11:32:34","slug":"energie-interview-mit-dem-vorsitzenden-der-bayerischen-chemieverbaende-dr-guenter-von-au","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.bayerische-chemieverbaende.de\/energie-interview-mit-dem-vorsitzenden-der-bayerischen-chemieverbaende-dr-guenter-von-au\/","title":{"rendered":"Energie: Interview mit dem Vorsitzenden der Bayerischen Chemieverb\u00e4nde, Dr. G\u00fcnter von Au"},"content":{"rendered":"
Erstellt von „Artikel 06. April 2019 – Alt-Neu\u00f6ttinger Anzeiger“<\/span><\/p>\n M\u00fcnchen\/Region.<\/strong> Drohende Engp\u00e4sse in Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t der Stromversorgung, aber auch absehbare Preissteigerungen f\u00fcr die stromintensiven Chemiebetriebe der Region mit ihren rund 20 000 unmittelbaren Arbeitspl\u00e4tzen verunsichern die Unternehmen. Die Bayerischen Chemieverb\u00e4nde haben deshalb mit einem Positionspapier an die Staatsregierung deutlich auf die Risiken f\u00fcr die Standorte hingewiesen. Und auch in der Bilanzpressekonferenz der Wacker Chemie AG im M\u00e4rz betonte Vorstandsvorsitzender Dr. Rudolf Staudigl die Sorgen um energieintensive Produktion am Standort in Burghausen (Heimatwirtschaft berichtete). Jetzt nimmt der Vorstandsvorsitzende der Bay. Chemieverb\u00e4nde, Dr. G\u00fcnter von Au, zu den Sorgen Stellung.<\/p>\n Herr Dr. von Au: Warum ist die chemische Industrie so sehr in Sorge wegen der Stromversorgung \u2013 in Qualit\u00e4t, Quantit\u00e4t und bei den Preisen in Bayern. Eine b\u00fcrgerliche Regierungskoalition wie in M\u00fcnchen sollte doch Verst\u00e4ndnis f\u00fcr die Belange der Wirtschaft und \u2013 nicht zuletzt \u2013 auch mit Blick auf die W\u00e4hlerstimmen, f\u00fcr die damit verbunden Arbeitspl\u00e4tze haben.<\/p>\n Dr. G\u00fcnter von Au: <\/strong>Eine Antwort auf diese Frage muss noch viel tiefer ansetzen. Es geht hier um die Zukunft unserer Gesellschaft im ganzen Land. Wie wollen wir leben? Und vor allem auch: Wovon wollen wir leben? Das sind zentrale Fragen. Wir sollten nicht vergessen, dass eine starke Wirtschaft die Basis unseres Wohlstandes ist. Und diese St\u00e4rke gr\u00fcndet sich in Deutschland vor allem auf eine starke Industrieproduktion. Die Industriequote in Deutschland liegt bei rund 23 Prozent, in Bayern sogar noch h\u00f6her, bei 27 Prozent. Wollen wir, wir alle, das wirklich in Frage stellen?<\/p>\n Die \u00f6ffentliche Diskussion scheint nicht gerade in diese Richtung zu laufen, sondern eher gegen Produktion und gegen die damit verbundene Infrastruktur.<\/p>\n Dr. von Au:<\/strong> Wir brauchen eine ehrliche gesellschaftliche Diskussion, die n\u00fcchtern die Fakten und Zusammenh\u00e4nge betrachtet und erkennt. Das Ergebnis sollte sein: Ja, wir wollen die Wirtschaft \u2013 und das nicht nur als politisches Lippenbekenntnis. Seit Jahren ist zu beobachten, dass Politik und gesellschaftliche Diskussion sich vor allem um die Verteilung von Wohlstand drehen und nicht mehr um die Fragen: Wo kommt der Wohlstand her? Worauf gr\u00fcndet er? Und wie kann er auch f\u00fcr morgen und \u00fcbermorgen gesichert werden? Wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass Wettbewerber auf der globalisierten Welt hier besonders auf unsere Befindlichkeiten in Deutschland R\u00fccksicht nehmen.<\/p>\n Aber hei\u00dft das nicht eine Kampfansage an die aktuellen Bestrebungen f\u00fcr mehr Klimaschutz und Engagements in diese Richtung?<\/p>\n Dr. von Au:<\/strong> Nein, ganz und garnicht. Aber auch dieses Thema m\u00fcssen wir n\u00fcchtern betrachten und d\u00fcrfen die Fakten nicht aus den Augen verlieren. Selbstverst\u00e4ndlich ist Klimaschutz ein sehr hohes und \u00fcberlebenswichtiges Ziel. Wir d\u00fcrfen uns aber nicht verleiten lassen, die komplexen Zusammenh\u00e4nge, die das Weltklima beeinflussen, au\u00dfer Acht zu lassen. Ich will hier nicht die Rechnung aufmachen, dass in der Zeit, in der wir in Deutschland CO\u00b2<\/strong> reduzieren ein Vielfaches an CO\u00b2<\/strong> dazu kommt, vor allem, wenn die Produktion aus Deutschland in L\u00e4nder verlagert wird, die unseren Wohlstand anstreben, aber bei weitem nicht unsere Standards haben.<\/p>\n Und wie sollte dann die Botschaft lauten?<\/p>\n Dr. von Au:<\/strong> Die Botschaft, dass wir alle in einem Boot sitzen, ist schon richtig und wichtig. Aber wir sollten uns nicht nur von Emotionen verleiten lassen, sondern sehen, was wir in den vergangen Jahrzehnten erreicht haben: Nachhaltigkeit ist seit langem nicht nur eine Forderung in der Gesellschaft, sondern ein Kernprinzip der Wirtschaft. Unsere Unternehmen, vor allem in der chemischen Industrie, werden nicht nur von den Kunden, sondern auch von den Investoren daran gemessen, wie wir mit der Umwelt, der Nachhaltigkeit und den Herausforderungen der Gesellschaft umgehen.<\/p>\n Und welche Konsequenzen leiten sich dann aus Ihrer Sicht f\u00fcr die Politik ab?<\/p>\n Dr. von Au:<\/strong> Die Konsequenzen gelten sowohl f\u00fcr die Gesellschaft, wie f\u00fcr die Politik: Ich sag es nochmal: Wir brauchen die Wirtschaft und hier vor allem die Industrie als Basis f\u00fcr unseren Wohlstand im Land. Warum lege ich die Betonung so sehr auf die Industrie? Hier erfolgt in Deutschland die nachhaltigste Wertsch\u00f6pfung. Was De-Industrialisierung bedeutet, das kann man vor allem dort beobachten, wo die produzierende Industrie in den vergangenen Jahrzehnten verschwunden oder wo es nicht gelungen ist, eine Industrie aufzubauen.<\/p>\n Sehen Sie denn in der Politik diese Erkenntnisse und Vorgaben umgesetzt?<\/p>\n Dr. von Au:<\/strong> Ich antworte jetzt mal mit einer Gegenfrage: Sehen Sie die Vorgaben umgesetzt? Zum Beispiel in der Infrastruktur? Wir ringen doch seit Jahrzehnten, gerade in der Anbindung des Bayerischen Chemiedreiecks, um die notwendigen Stra\u00dfen und Investitionen in den Bahnausbau. \u00dcber weite Strecken ist au\u00dferdem der Verfall der Infrastruktur un\u00fcbersehbar. Defizite im Neubau, wie zum Beispiel beim Flughafen Berlin, mag ich hier nicht weiter ausf\u00fchren. Eine Elektrifizierung der Bahnstrecken w\u00e4re \u00fcbrigens ein deutlicher Beitrag zu umweltfreundlichem Verkehr und zugleich zu mehr Effizienz und Wettbewerbsf\u00e4higkeit in der Wirtschaft. Und wir brauchen in der Gesellschaft wie in der Wirtschaft gut ausgebildete Menschen, dazu die Entwicklung der IT-Infrastruktur. Und die M\u00f6glichkeit zu Innovationen.<\/p>\n Sie nennen Innovationen und Elektrifizierung. Woran denken Sie in diesem Kontext?<\/p>\n Dr. von Au:<\/strong> Gerade die chemische Industrie liefert seit langem L\u00f6sungen. Denken Sie an das Solarsilicium, das erst die Photovoltaik, die Nutzung von Sonnenstrom erm\u00f6glicht. Oder denken Sie an das Silicium, ohne das die digitale Welt nicht vorstellbar w\u00e4re. Auch in der Nutzung von Wasserstoff als Energietr\u00e4ger, in der Gewinnung durch Hydrolyse, in der Nutzung von CO\u00b2<\/strong> und Folgeprodukten als Energietr\u00e4ger steckt enormes Potenzial. Wir sind hier sehr weit gekommen. Dr. von Au:<\/strong> Die scheint vor allem in naher Zukunft offen. 37 Prozent der Bruttostromerzeugung in Bayern stammt 2017 noch aus der Kernkraft, rund 44 Prozent aus erneuerbaren Energietr\u00e4gern. Vor allem aus Wasserkraft, Photovoltaik, Biomasse und Windkraft. Etwa zehn Prozent entfallen auf Erdgas. Und jetzt m\u00fcssen Sie kalkulieren, dass nach 2021 diese 37 Prozent der grundlastf\u00e4higen Bruttostromerzeugung von einem Tag auf den anderen wegfallen sollen. Wie soll dieser Wegfall ausgeglichen werden?<\/p>\n Mit Erdgas? Oder mit dem Ausbau der regenerativen Energien?<\/p>\n Dr. von Au:<\/strong> Das klingt zun\u00e4chst nach guten Ideen, scheitert aber in der Praxis. Erdgas ist zwar ein guter Energietr\u00e4ger, k\u00f6nnte f\u00fcr die Industrie eine Grundlastversorgung sicherstellen, ist aber zugleich der teuerste Energietr\u00e4ger mit wenig Marktchancen. Und eine Subventionierung, um die Energiekosten marktf\u00e4hig zu halten, h\u00e4tte wohl nach europ\u00e4ischen Richtlinien keine Chance. Ein Aufbau von regionalen und regenerativen Energieversorgern in der Gr\u00f6\u00dfenordnung, wie sie im Augenblick noch von der Kernkraft geleistet wird, ist nicht vorstellbar. Die Wasserkraft ist weitgehend ausgereizt. Das hat die Politik auch schon vor Jahren erkannt. Deswegen entstand ja das Projekt, Strom in gro\u00dfen Mengen aus den Windkraftparks und Solaranlagen in Norddeutschland in die Industrieregionen in S\u00fcddeutschland zu transportieren. Aber diese Projekte sto\u00dfen nun auf politischen Widerstand in Bayern. Dabei versprechen die geplanten HG\u00dc-Leitungen auch einen Zugang zum sogenannten NordLink, der wiederum Zugang zu gro\u00dfen und eher grundlastf\u00e4higen Wasserkraftwerken in Norwegen erm\u00f6glicht.<\/p>\n Die Lage scheint wahrlich verzwickt.<\/p>\n Dr. von Au:<\/strong> In der Tat. Aber die Situation ist nicht neu. Wir haben seitens der Industrie seit Jahren auf das Dilemma hingewiesen und vor den absehbaren Konsequenzen gewarnt. Ja selbst wenn die Stromleitungen aus dem Norden, die S\u00fcd-Link und die S\u00fcdost-Link, mit Nachdruck vorangetrieben werden, um Strom in Bayerns Industrieregionen zu liefern, ist schon jetzt klar, dass sie zum Zeitpunkt des Abschaltens des letzten Kernkraftwerks in Ohu nicht funktionsf\u00e4hig sein werden. Noch ist kein Kilometer gebaut. Und die Technik ist h\u00f6chst anspruchsvoll. \u00dcbrigens ist das der Hauptgrund, warum eine zweite Preiszone mit erheblichen Preisnachteilen f\u00fcr Bayern droht.<\/p>\n Bietet dann die Kernkraft noch eine letzte Chance, so als Notl\u00f6sung?<\/p>\n Dr. von Au:<\/strong> Sie meinen einen Ausstieg aus dem Ausstieg? Wieder einmal, nachdem es schon einmal einen Ausstieg aus dem Ausstieg gegeben hat? Nein, ich glaube, wir m\u00fcssen alle den Ausstieg akzeptieren. Aber da schlie\u00dft sich die Frage an: Macht es denn Sinn, dass wir relativ neue Kernkraftwerke in Deutschland und vor allem in Bayern abschalten, um dann doch Strom aus \u00e4lteren und vielleicht auch wenig sicheren Kernkraftwerken in Nachbarl\u00e4ndern zu beziehen?<\/p>\n Aber warum hat man dann den Ausstieg beschlossen? War das Ungl\u00fcck im japanischen Fukushima wirklich der Grund, eine erneute Kehrtwende in der Energiepolitik einzulegen? Oder wollte man auf Teufel komm raus vor allem die Landtagswahlen in Baden- W\u00fcrttemberg gewinnen, um dort einen gr\u00fcnen Ministerpr\u00e4sidenten zu verhindern?<\/p>\n Dr. von Au:<\/strong> Es ist keine Entscheidung der Wirtschaft, aber die damalige Entscheidung zum doch wieder vorgezogenen Atomausstieg mit den jetzt geltenden Abschaltzeiten ist, wenn man ehrlich ist, ohne Konzept getroffen worden. Deswegen muss man jetzt gegebenenfalls neu nachdenken, ob eine Laufzeitverl\u00e4ngerung in dieser Situation sinnvoll ist. Der vbw-Pr\u00e4sident Gaffal hatte bereits darauf hingewiesen. Und vor dem Hintergrund, dass wir ja nach der Abschaltung von Ohu auf Strom aus \u00e4lteren und vielleicht auch weniger sicheren ausl\u00e4ndischen Kernkraftwerken angewiesen sein werden, sollte man eine Laufzeitverl\u00e4ngerung, bis die Leitungen fertig gestellt sind, jedenfalls nicht ausschlie\u00dfen.<\/p>\n Was h\u00e4tte man denn besser machen k\u00f6nnen? Gibt es nicht nachvollziehbare Beispiele in Nachbarl\u00e4ndern? Sie tragen doch Verantwortung in einem Schweizer Chemiekonzern.<\/p>\n Dr. von Au:<\/strong> Die Beschl\u00fcsse zur sogenannten Energiewende waren viel zu \u00fcberst\u00fcrzt, ohne konkrete und realistische L\u00f6sungsans\u00e4tze. Da wurde viel zu kurzfristig gehandelt. Die Kosten der Energiewende werden auf 500 Milliarden bis zu einer Billion, also 1000 Milliarden, Euro gehandelt. Die Schweiz hat auch den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen, sich aber eine realistische Zeitspanne bis zum Abschalten gesetzt, bis die Alternativen gro\u00dftechnisch funktionieren, zum Beispiel durch den Bau von Speicherseen. In diesem Punkt hat die Politik in Deutschland unverantwortlich gehandelt.<\/p>\n Das hilft uns aber nicht richtig weiter. Was sollte denn jetzt in Deutschland und Bayern geschehen?<\/p>\n Dr. von Au:<\/strong> Richtig. Das hilft uns nicht weiter. Jetzt ist es andere Politik, den gew\u00e4hlten Weg der Stromleitungen aus dem Norden in den S\u00fcden konsequent und mit Nachdruck zu bauen und keinesfalls die Strompreise f\u00fcr die produzierende Industrie zus\u00e4tzlich mit Abgaben zu belasten, sondern sie marktf\u00e4hig nach den Ma\u00dfst\u00e4ben des Weltmarktes zu halten. Die Konsequenzen, die keiner will \u2013 kein Unternehmer, kein Arbeitnehmer und wahrscheinlich auch kein Politiker, hat Vorstandsvorsitzender Rudolf Staudigl bereits in der Bilanzpressekonferenz der Wacker Chemie AG genannt. Sonst werden energieintensive Industrien, mit ihnen Arbeitspl\u00e4tze und die Wertsch\u00f6pfung abwandern.<\/p>\n Das Interview f\u00fcr Heimatwirtschaft f\u00fchrte Ernst Deubelli.Dr. G\u00fcnter von Au, Vorstandsvorsitzender der Bay. Chemieverb\u00e4nde, zu sich abzeichnenden Problemen beim Strom<\/strong><\/h3>\n
\nAber die Frage nach der Elektrifizierung \u2013 lassen wir mal die Bahnstrecken au\u00dfer Acht, sondern betrachten die Stromversorgung: Die scheint doch ungel\u00f6st.<\/p>\n
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