{"id":305598,"date":"2025-01-17T20:19:25","date_gmt":"2025-01-17T19:19:25","guid":{"rendered":"https:\/\/www.bayerische-chemieverbaende.de\/?p=305598"},"modified":"2025-01-20T17:20:01","modified_gmt":"2025-01-20T16:20:01","slug":"mehr-sachlichkeit-weniger-agitation","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.bayerische-chemieverbaende.de\/mehr-sachlichkeit-weniger-agitation\/","title":{"rendered":"Mehr Sachlichkeit \u2013 weniger Agitation"},"content":{"rendered":"

Das Thema \u201cPFAS-Regulierung\u201d ist wichtig \u2013 sowohl aus umweltpolitischer aber auch aus industriepolitischer Perspektive. Daher ist es gut, wenn das Thema wieder st\u00e4rker in den Fokus der \u00d6ffentlichkeit r\u00fcckt. Hysterie, Agitation<\/span>\n und \u201eGut-gegen-B\u00f6se\u201c-Narrative helfen uns hier aber nicht weiter. Vielmehr braucht es mehr Sachlichkeit, um zu guten L\u00f6sungen f\u00fcr den Umwelt- und Gesundheitsschutz und f\u00fcr unsere moderne Hochtechnologie-Gesellschaft zu kommen.<\/strong><\/p>\n

Eine Regulierung f\u00fcr PFAS ist geboten!<\/strong><\/p>\n

Klar ist: Es braucht eine Regulierung f\u00fcr PFAS<\/span>\n\u2013 dagegen hat sich die Industrie auch nie ausgesprochen. Im \u00dcbrigen gibt es bereits Verbote f\u00fcr einzelne besonderes relevante Vertreter, wie u.a. PFOS, PFOA<\/a>, die die wesentlichen Altlastenf\u00e4lle ausmachen. Auch sollten disperse Anwendungen<\/span>\n nicht-polymerer PFAS im konsumentennahen Bereich wie z.B. Skiwachse beendet werden. Ebenso braucht es bei dispersen Anwendungen im technischen Bereich wie z.B. bei Feuerl\u00f6schsch\u00e4umen dringend Regelungen, wie dies bereits auf EU-Ebene angegangen<\/a> wird. Es ist also zurecht schon viel passiert \u2013 und weitere Ma\u00dfnahmen sind auf dem Weg!<\/p>\n

Klar ist aber auch, dass PFAS eben bei weitem keine einheitliche Stoffgruppe sind. Kleine Molek\u00fcle haben v\u00f6llig andere Eigenschaften als hochmolekulare Werkstoffe. Man kann z.B. Skiwachse oder L\u00f6schsch\u00e4ume nicht mit einer Brennstoffzellmembran vergleichen. Die Risikoprofile (Gefahrenpotenzial x Expositionswahrscheinlichkeit) und Umweltrelevanz einzelner PFAS-Subgruppen sind v\u00f6llig unterschiedlich! Deshalb passt hier kein \u201eone-size-fits-all\u201c-Ansatz. Wir brauchen eine Differenzierung. Insbesondere f\u00fcr Fluorpolymere braucht es andere Regulierungsans\u00e4tze als f\u00fcr kurzkettige PFAS, L\u00f6schsch\u00e4ume oder F-Gase<\/span>\n. Denn Fluorpolymere sind Werkstoffe, die in vielen industriellen Wertsch\u00f6pfungsketten und sicherheitsrelevanten wie auch nachhaltigen Technologien eine wichtige Rolle spielen \u2013 und sicher und nachhaltig gehandhabt werden k\u00f6nnen.<\/p>\n

\"\"<\/strong><\/p>\n

Polymers of Low Concern (PLC) \/ Arbeiten innerhalb der OECD<\/strong><\/p>\n

In der aktuellen Berichterstattung \u00fcber die Beschr\u00e4nkung von PFAS wird kritisch auf die Argumentation mit den OECD-Kriterien zu „Polymers of low concern“ (PLC) verwiesen. Diese Kriterien bzw. ihre Anwendung wurden von Interessenvertretern der Industrie im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen universellen Beschr\u00e4nkung von PFAS f\u00fcr die Untergruppe der Fluorpolymere aufgeworfen. Die OECD informiert auf ihrer Webseite<\/a> \u00fcber die Bem\u00fchungen hinsichtlich „Polymers of low concern“.<\/p>\nWeiterf\u00fchrende Informationen<\/span><\/a>

<\/p>\n

Die OECD f\u00fchrt keine Liste von „Polymers of Low Concern“ (PLC). Die OECD nimmt auch keine Gefahrenbewertung einzelner Polymere vor. Vielmehr trafen sich OECD-Expertengruppen f\u00fcr Polymere seit den 1990er Jahren mehrmals zu den Polymereigenschaften, die eine geringe Gef\u00e4hrdung erwarten lassen. Ihre Arbeit konzentrierte sich auf das Polymer, nicht auf die Herstellung oder Entsorgung des Polymers. In einem OECD-Dokument von Mai 2023<\/a> wird die Arbeit dieser Expertengruppen zu PLC-Kriterien zusammengefasst und u.a. beschrieben,  dass die Arbeit der OECD-Experten an der Definition der Kriterien f\u00fcr eine geringe Gef\u00e4hrdung anschlie\u00dfend von Regulierungsbeh\u00f6rden in verschiedenen Staaten weltweit in deren Ansatz zur Regulierung von Polymeren angewendet wurden. Dar\u00fcber hinaus wurden in den von der Europ\u00e4ischen Kommission in Auftrag gegebenen Berichten (2012, 2015, 2020) zur Untersuchung einer m\u00f6glichen REACH-Registrierung von Polymeren diese PLC-Kriterien gepr\u00fcft. Der Bericht von 2020 kam zu dem Schluss, dass die Kriterien f\u00fcr PLC bereits gut etabliert sind, und verwies auf den Bericht der OECD-Expertengruppe f\u00fcr Polymere aus dem Jahr 2009. Es ist daher nachvollziehbar, dass die Fluorpolymerindustrie die Arbeit der OECD-Expertengruppe f\u00fcr Polymere und der Regulierungsbeh\u00f6rden \u00fcbertragen und diese PLC-Kriterien auf Fluorpolymer-Eigenschaften angewandt hat. Die Arbeit der OECD-Expertengruppen f\u00fcr Polymere hat zu einem besseren Verst\u00e4ndnis der Gefahrenbewertung von Polymeren beigetragen. Aber auch sp\u00e4tere Ver\u00f6ffentlichungen (z.B. ECETOC Conceptual Framework for Polymers (TR 133-1, 2, 3)<\/a>) unterst\u00fctzen das Konzept, dass es polymere Eigenschaften gibt, die f\u00fcr eine geringe Gef\u00e4hrdung sprechen. Die ver\u00f6ffentlichten Daten f\u00fcr Fluorpolymere erf\u00fcllen durchweg diese Polymereigenschaften, die eine geringe Gef\u00e4hrdung erwarten lassen. <\/em><\/div><\/div>\n\n

 <\/p>\n

Es ist richtig, dass die OECD Fluorpolymere nicht als \u201elow concern\u201c bewertet hat. Hier ist eine klare Kommunikation wichtig – dieser Eindruck sollte nicht entstehen! Es wurde aber zurecht darauf hingewiesen, dass Fluorpolymere die von den OECD Expertengruppen identifizierten Kriterien als \u201ePLC\u201c erf\u00fcllen (weitere Informationen dazu hier<\/a>, hier<\/a> oder hier<\/a>). Ein Befund, der f\u00fcr die Gef\u00e4hrdungsbeurteilung dieser PFAS-Subgruppe ber\u00fccksichtigt werden sollte. Das betrifft allerdings ausdr\u00fccklich nur die Nutzungsphase. Die Herstellung und Entsorgung von Fluorpolymeren wurden nicht in den Studien fokussiert.<\/p>\n

\u00dcber diese Detaildiskussionen hinaus besteht in der Fachwelt ein breiter Konsens dar\u00fcber, dass Fluorpolymere sicher eingesetzt werden k\u00f6nnen. Fluorpolymere spielen eine \u00e4u\u00dferst wichtige Rolle als kritische Materialien in zahlreichen industriellen Anwendungen und im High-Tech-Sektor, die in der modernen Gesellschaft unverzichtbar sind (z. B. Dichtungen \/ Beschichtungen in industriellen Produktionsanlagen, Luft- und Raumfahrt und Verteidigung, Automobilindustrie, Halbleiter, Medizintechnik). Die Eigenschaften der Fluorpolymere, die sie in der Anwendung risikoarm machen, erf\u00fcllen auch die komplexen Anforderungen, regulatorischen Spezifika und Leistungsanforderungen dieser anspruchsvollen Anwendungen.<\/p>\n

\"\"<\/strong><\/p>\n

Es bleibt dabei: Differenzierung statt Pauschalierung \u2013 Innovationspotentiale nutzen <\/strong><\/p>\n

Aufgrund der Relevanz von Fluorpolymeren und deren deutlich abweichendem Risikoprofil zu anderen PFAS-Subgruppen setzt sich die Industrie insgesamt f\u00fcr eine differenzierte PFAS-Regulierung ein. Das bedeutet nicht, dass Fluorpolymere grunds\u00e4tzlich keiner Regulierung unterfallen sollen \u2013 es sollten dabei aber dezidiert die mit Fluorpolymeren verbundenen Risiken adressiert werden. Dabei kann und soll auch diskutiert werden, ob bestimmte Anwendungen im konsumentennahen Bereich (Bratpfanne und Co.) weiterhin n\u00f6tig sind \u2013 insbesondere dort, wo es auch gute Alternativen gibt. Der regulatorische Fokus sollte sich jedoch vor allem auf die Phasen der Produktion (und dabei die Vermeidung von Restemissionen niedermolekularer PFAS) sowie Fragen der Entsorgung richten (Wie und unter welchen Bedingungen ist eine sichere Verwertung m\u00f6glich? Welche Optionen f\u00fcr Recycling gibt es?). Statt eines pauschalen Verwendungsverbotes f\u00fcr sicher handhabbare Werkstoffe sollten diese Fragen im Fokus stehen. Durch entsprechende regulatorische Vorgaben und Innovationen (Emissionsminderungsprogramme und -vorgaben, Prozessinnovationen wie fluorfreie Polymerisationshilfsmittel oder Polymerisationsverfahren ganz ohne Emulgatoren, geschlossene Wasserkreisl\u00e4ufe, mechanische und chemische Recyclingverfahren, spezielle Entsorgungswege) haben wir die Chance, die Fluorpolymerproduktion maximal umweltfreundlich weiterzuentwickeln. Die Alternative ist, dass sich die Herstellung solcher Werkstoffe in Regionen au\u00dferhalb der EU mit zumeist niedrigeren Umweltstandards verlagert. Da diese Werkstoffe in vielen Hochtechnologieanwendungen dringend gebraucht werden, schafft dies dann weitere, extrem kritische Abh\u00e4ngigkeiten, leistet dem Umweltschutz wom\u00f6glich einen B\u00e4rendienst und schadet dem Hochtechnologiestandort Deutschland.<\/p>\n

Unser Anspruch muss eine Versachlichung und informierte Entscheidungen sein<\/strong><\/p>\n

Eine Versachlichung bei der PFAS-Regulierung ist also wichtig, um zu guten L\u00f6sungen f\u00fcr den Umwelt- und Gesundheitsschutz aber auch f\u00fcr die Bedarfe unserer modernen Hochtechnologie-Gesellschaft zu kommen.<\/p>\n

Dass sich in einem so zentralen REACH-Beschr\u00e4nkungsverfahren zum weitreichenden Verbot von PFAS \u00fcbrigens sehr viele Unternehmen und Verb\u00e4nde \u00e4u\u00dfern, um Betroffenheit, Relevanz, zus\u00e4tzliche Daten und Hinweise einzubringen, ist ein \u00fcblicher und durchaus gew\u00fcnschter Prozess. Genau darum geht es ja im Rahmen von Konsultationen und Anh\u00f6rungen. Auch der Austausch mit Politik und Verwaltung sowie Briefe sind keine ungew\u00f6hnlichen Vorg\u00e4nge bei so relevanten Fragen und auch keineswegs Teil einer \u201egeheimen Lobbystrategie\u201c. Solche Aktivit\u00e4ten machen \u2013 nebenbei bemerkt \u2013 auch Umwelt-NGOs. Am Ende geht es doch darum, dass informierte Entscheidungen in einer sehr wichtigen umwelt- und industriepolitischen Frage getroffen werden k\u00f6nnen. Das sollte unser aller Anspruch sein.<\/p>\n

 <\/p>\n

Bildquellen: iStock-2145498657, VCI<\/em><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Das Thema \u201cPFAS-Regulierung\u201d ist wichtig \u2013 sowohl aus umweltpolitischer aber auch aus industriepolitischer Perspektive. 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