{"id":305234,"date":"2024-08-22T12:41:58","date_gmt":"2024-08-22T10:41:58","guid":{"rendered":"https:\/\/www.bayerische-chemieverbaende.de\/?p=305234"},"modified":"2024-08-22T12:44:54","modified_gmt":"2024-08-22T10:44:54","slug":"wir-muessen-den-kompass-wieder-auf-soziale-marktwirtschaft-ausrichten","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.bayerische-chemieverbaende.de\/wir-muessen-den-kompass-wieder-auf-soziale-marktwirtschaft-ausrichten\/","title":{"rendered":"WIR M\u00dcSSEN DEN KOMPASS WIEDER AUF \u201eSOZIALE MARKTWIRTSCHAFT\u201c AUSRICHTEN!"},"content":{"rendered":"

[vc_row][vc_column][vc_column_text]<\/p>\n

Ist die Energiewende gescheitert?<\/h4>\n

Zumindest so, wie sie angedacht war und derzeit vollzogen wird, wohl schon.<\/p>\n

Es ist Zeit f\u00fcr einen Kassensturz und einen Plan, wie es jetzt weitergehen kann.<\/strong> Denn die Vorstellung, dass man nur genug erneuerbare Energie-Anlagen (gemeint: Wind, PV) zubauen muss, dann w\u00fcrde es schon genug billigen Strom geben, wird vermutlich nicht aufgehen. Zum einen ist erneuerbare Energie nicht per se g\u00fcnstig und zum anderen m\u00fcssen auch die weiteren Systemkosten eingerechnet werden.<\/p>\n\n\n\n
Hierzu hatte Anfang April eine vielbeachtete Studie zur Einsch\u00e4tzung der zuk\u00fcnftigen Stromkosten gro\u00dfe Wellen geschlagen. Die Forscher \u2013 darunter auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm \u2013 kommen zu dem Schluss, dass man (\u00dcberraschung?) f\u00fcr eine realistische Kosteneinsch\u00e4tzung bei der Energietransformation neben den Stromgestehungskosten von Erneuerbaren eben auch die notwendigen komplement\u00e4ren Technologien und Infrastrukturbedarfe (wie Netzausbau, Gaskraftwerke f\u00fcr die Dunkelflaute, Batteriespeicher, etc.) ber\u00fccksichtigen muss.<\/td>\n\"\"<\/a><\/td>\n<\/tr>\n<\/tbody>\n<\/table>\n

Das Ergebnis:<\/em> Der ganzheitliche Blick auf die Systemkosten l\u00e4sst nur wenig Hoffnung zu, dass die Stromkosten im kommenden Jahrzehnt sinken werden. Die gestiegenen Netzentgelte von Anfang 2024 geben einen ersten Vorgeschmack. Auch der f\u00fcr den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) angefertigte \u201eFortschrittsmonitor Energiewende 2024\u201c st\u00f6\u00dft in das gleiche Horn: Die n\u00f6tigen Investitionen in den Bereichen Energieerzeugung, Stromnetze, Wasserstoffwirtschaft, W\u00e4rme und Verkehr werden auf 721 Mrd. EUR bis 2030 sowie weitere 493 Mrd. EUR bis 2035 beziffert. Wir m\u00fcssen also davon ausgehen, dass die Strompreise \u2013 wenn man alle Kostenbestandteile einrechnet \u2013 nur eine Richtung kennen: teurer!<\/strong><\/p>\n

Die Studien sind ohne Zweifel ein wichtiger Beitrag zur Versachlichung der Debatte. \u00dcber das Resultat einer \u00fcber Jahrzehnte planwirtschaftlichen Eingriffspolitik in den Strommarkt \u2013 von der Trittin\u2019schen Eiskugel als Kostenbeitrag f\u00fcr die F\u00f6rderung der Erneuerbaren bis zu den umgesetzten Abschaltpl\u00e4nen f\u00fcr die Atomkraftwerke, dem Kohleausstieg und der dann n\u00f6tigen Kraftwerksstrategie \u2013 darf man sich aber nicht wundern. Es ist eben teuer, wenn man vor allem abschaltet und gleichzeitig wegen dezentraler, volatiler Stromgestehung viel mehr Netze und parallel auch alternative Backup-Kapazit\u00e4ten f\u00fcr Zeiten ohne Wind und Sonne braucht.<\/strong><\/p>\n


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Wor\u00fcber man sich aber wundern muss, ist, dass man dann Ma\u00dfnahmen wie einen staatlich gedeckelten Industriestrompreis zum Erhalt der industriellen Wettbewerbsf\u00e4higkeit mit dem Hinweis, das sei nicht marktwirtschaftlich, ablehnt. Das ist schon erstaunlich und fast zynisch: Man greift wiederkehrend planwirtschaftlich-dirigistisch in einen Markt \u2013 den Strommarkt \u2013 ein und sorgt so f\u00fcr einen Mangel an verl\u00e4sslichen Gestehungskapazit\u00e4ten und damit (nat\u00fcrlich) f\u00fcr h\u00f6here Preise und geringere Versorgungssicherheit, um dann ma\u00dfgeblich betroffenen Branchen mit Verweis auf die Marktwirtschaft eine L\u00f6sung zu verwehren!? Dass wir den \u201eMarkt\u201c im Strombereich schon vor langer Zeit verlassen haben, kann man alleine daran sehen, dass es trotz phasenweiser hoher Strompreise zwar eigentlich gen\u00fcgend marktliche Anreize f\u00fcr den Bau neuer Kraftwerke gibt, aber dennoch nicht investiert wird.<\/p>\n

Nat\u00fcrlich kann man das Vorschieben marktwirtschaftlicher Anspr\u00fcche inmitten der Energieplanwirtschaft auch einfach damit erkl\u00e4ren, dass man, gerade in Zeiten klammer Kassen als Folge von Haushaltsurteilen und schlechten Wirtschaftsdaten, eher ungern Subventionen auf den Plan ruft. Andererseits sollte allen klar sein, dass die wirtschaftliche Situation eine Folge des hohen Strompreises ist \u2013 die Situation kann nur mit einem verl\u00e4sslich international wettbewerbsf\u00e4higen Strompreis wieder besser werden. Und auch uns als Verfechter der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft bereitet es gro\u00dfes Unbehagen, einen Subventionstatbestand f\u00fcr den Strompreis zu fordern, den es \u2013 so viel sei nebenbei bemerkt \u2013 in anderen Staaten wie z.B. Frankreich, USA, China bereits seit vielen Jahren gibt. Nur muss man sich am Ende auch fragen, was denn die Alternativen sind und was ein Nichthandeln bedeutet.<\/p>\n\n\n\n
\"\"<\/a><\/td>\nEine IW-Studie im Auftrag des VCI zeigt, dass der fiskalische Beitrag der energieintensiven Industrien bei rund 46 Mrd. EUR p.a. an Steuern und Abgaben liegt \u2013 Steueraufkommen aus abh\u00e4ngigen Wertsch\u00f6pfungsstufen nicht eingerechnet. Stellt man dem ein Industriestrompreismodell gegen\u00fcber \u2013 wie z.B. das Mitte letzten Jahres von Bundesminister Habeck ins Spiel gebrachte, das von 30 Mrd. EUR bis 2030 ausging (also rd. 5 Mrd. EUR p.a.) \u2013 d\u00fcrfte sich dieses Investment definitiv lohnen.<\/td>\n<\/tr>\n<\/tbody>\n<\/table>\n\n\n\n
Und auch der Hinweis auf den aktuell im Vergleich zum Krisenh\u00f6hepunkt in 2022 wieder deutlich gesunkenen B\u00f6rsenstrompreis taugt keinesfalls als Entwarnung! Denn zum einen ist die Stromnachfrage aus der energieintensiven Industrie eben durch Produktionsdrosselungen (!) deutlich geringer, mit entsprechenden Preiseffekten. Und zum anderen ist f\u00fcr eine Exportnation schlussendlich einzig und allein der Gesamtkostenvergleich (B\u00f6rsenpreis + Stromnebenkosten inklusive einer gewissen Plan- und Prognostizierbarkeit) zu relevanten Wettbewerbsregionen wie USA und China entscheidend.<\/td>\n\"\"<\/a><\/td>\n<\/tr>\n<\/tbody>\n<\/table>\n\n\n\n
\"\"<\/a><\/td>\nGerade in den energieintensiven Industrien sehen wir laut IW-Analyse in Deutschland leider auch schon seit Jahren einen Verlust an Substanz:<\/strong> Von 2000 bis 2021 ist hier der Kapitalstock um fast 20 % oder gut 71 Mrd. EUR geschrumpft!<\/em> Und auch die aktuellen Investitionserwartungen lassen wenig Hoffnung aufkommen: Haben die Unternehmen in Deutschland ihre Investitionsvorhaben f\u00fcr das laufende Jahr insgesamt nach unten korrigiert, so sieht es bei den energieintensiven Unternehmen laut ifo-Zahlen vom April noch schlechter aus, allen voran bei der Chemie.<\/td>\n<\/tr>\n<\/tbody>\n<\/table>\n

Es ist also ernst und steht nicht gut um den Industriestandort Deutschland<\/strong> \u2013 denn wie sollen wir die Transformation zur Klimaneutralit\u00e4t schaffen, wenn als Folge hoher Stromkosten nicht investiert wird?<\/p>\n

Es bleibt dabei: Der Industriestrompreis \u2013 \u201eall-in\u201c 4 ct\/kWh als Richtmarke \u2013 ist Notwendigkeit und Booster zugleich f\u00fcr die Transformation zur Klimaneutralit\u00e4t.<\/strong><\/p>\n


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Und im \u00dcbrigen gilt dies auch ganz analog f\u00fcr das Thema \u201eWasserstoff\u201c: Auch hier kann die Transformation nur mit einer international wettbewerbsf\u00e4higen Kostenstruktur gelingen!<\/strong><\/p>\n\n\n\n
Aber nicht nur der fiskalische Blick und die Investitionst\u00e4tigkeiten zeigen die unver\u00e4ndert dringende Notwendigkeit einer politischen L\u00f6sung f\u00fcr international konkurrenzf\u00e4hige Strompreise in Deutschland. Das Bundeswirtschaftsministerium (!) titelte Mitte M\u00e4rz in einer Pressemitteilung freudig, dass Deutschland erstmals bei den Klimazielen f\u00fcr 2023 auf Kurs sei. Das d\u00fcrfte \u2013 wenn sich die Prognosen \u00fcberhaupt best\u00e4tigen \u2013 aber kaum als klimapolitisches Aush\u00e4ngeschild dienen. Einen wesentlichen Anteil an diesem CO2<\/sub>-R\u00fcckgang haben die Produktionsr\u00fcckg\u00e4nge in der energieintensiven Industrie infolge der hohen Energiepreise und einer weltweiten konjunkturellen Schw\u00e4che.<\/td>\n\"\"<\/a><\/td>\n<\/tr>\n<\/tbody>\n<\/table>\n

Soll das wirklich allen Ernstes im Industrieland Deutschland unser Kompass f\u00fcr die Zukunft sein? Sollen wir das als offenes Pl\u00e4doyer f\u00fcr \u201eKlimaschutz durch Deindustrialisierung und Abbau industrieller Arbeitspl\u00e4tze\u201c verstehen? Wird das dann andere Weltregionen dazu bewegen, uns auf diesem Weg zu mehr Klimaschutz zu folgen? M\u00fcssten wir denn jetzt nicht eigentlich alles daf\u00fcr tun, dass wir bei dem eingeschlagenen Weg eine nachhaltige L\u00f6sung finden, die echte Perspektiven auch f\u00fcr klimaneutrale energieintensive Wertsch\u00f6pfung am Industriestandort Deutschland aufzeigt? Und droht nicht ansonsten, dass der Vorbildcharakter zum Mahnmal wird \u2013 und sind wir denn nicht eigentlich gerade deshalb f\u00fcr das Gelingen von Klimaschutz auf globaler Ebene geradewegs zum Erfolg verdammt?<\/strong><\/p>\n

Man hat derzeit den Eindruck, dass wir arg entr\u00fcckt auf uns als Industrieland blicken und dieses Privileg, Industrieland zu sein, scheinbar immer weniger wertsch\u00e4tzen \u2013 und nicht selten schulterzuckend hinnehmen, wenn wesentliche Teile unserer industriellen Basis von Verlagerungen und Abwicklung bedroht sind.<\/p>\n\n\n\n
\"\"<\/a><\/td>\nBereits vor drei Jahren haben wir uns daher genau an dieser Stelle in unserem Jahresbericht sehr intensiv damit besch\u00e4ftigt, woher Wohlstand eigentlich kommt, was die Rolle der Industrie dabei ist, was das \u00d6kosystem eines erfolgreichen Industriestandortes ausmacht, welche Kippelemente es dabei gibt und warum wir zum Erfolg verdammt sind, um im Anschluss aufzuzeigen, dass eine nachhaltige Entwicklung ohne Deindustrialisierung und Wohlstandsverluste m\u00f6glich ist. All diese Betrachtungen sind heute aktueller denn je!<\/td>\n<\/tr>\n<\/tbody>\n<\/table>\n

Und umso erschreckender ist es, dass wir auch wieder in eine Debatte \u00fcber die Zukunft der sog. \u201ealten Industrien\u201c einsteigen, auf die einige glauben, im Rahmen der \u201eTransformation\u201c unserer Wirtschaft gut verzichten zu k\u00f6nnen.<\/strong><\/p>\n

Dieses Ph\u00e4nomen \u2013 \u201eOld Economy\u201c versus \u201eNew Economy\u201c \u2013 ist dabei nicht neu. Manche L\u00e4nder \u2013 allen voran Deutschland \u2013 waren nach dem Platzen der Dotcom-Blase im M\u00e4rz 2000 und sp\u00e4ter w\u00e4hrend der Finanzkrise 2009 allerdings am Ende doch sehr froh, dass sie noch eine reale \u201ealte Industrie\u201c mit echten Assets und einem hohen Anteil am BIP hatten, die ihren Wohlstand gesichert hat. Und auch heute muss immer wieder daran erinnert werden, was in einer arbeitsteiligen Wirtschaft das Erfolgsgeheimnis wirtschaftlicher und industrieller Wertsch\u00f6pfungsketten ist, aus denen man nicht beliebig und ohne Folgen wichtige Kettenglieder herausbrechen kann, wenn man andererseits \u00fcber Fragen einer gesteigerten Resilienz in unsicheren Zeiten diskutiert.<\/p>\n\n\n\n
Auch scheint immer noch nicht in G\u00e4nze klar zu sein, dass es diese sch\u00f6ne neue transformierte Hightech-Welt, von der einige ersatzweise reden, nicht nur virtuell gibt, sondern dass es am Ende auch dazu immer noch \u201eHardware\u201c und industrielle L\u00f6sungen braucht. Und diese kommen oder sind nur realisierbar mit L\u00f6sungen oder Produkten aus der Chemie. Egal ob bei der klimaneutralen Energiegestehung<\/strong> (Windr\u00e4der, PV-Anlagen, etc.), bei der Kreislaufwirtschaft<\/strong> (neue chemische Recyclingmethoden, biobasierte Kunststoffe, etc.) oder im Bereich der Gesundheitsversorgung<\/strong> (neue Medikamente, Impfstoffe, Medizinprodukte, etc.) \u2013 entweder es beginnt mit einem Chemieprodukt oder die entscheidenden Funktionalit\u00e4ten werden durch eine Chemieinnovation<\/strong> (\u201emagic ingredient\u201c) erst erm\u00f6glicht.<\/strong> Es muss daher doch unser Kompass sein, dass wir die damit verbundene Wertsch\u00f6pfung auch zuk\u00fcnftig noch im Land haben und nicht alles importieren?!<\/td>\n\"\"<\/a><\/td>\n<\/tr>\n<\/tbody>\n<\/table>\n

Die intensive Beleuchtung der Energiepolitik in diesem Kapitel liegt naturgem\u00e4\u00df in deren fundamentaler Bedeutung f\u00fcr den Industrie- und Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Energiekosten, deren H\u00f6he im Vergleich zum internationalen Wettbewerb sowie deren Planbar- und Verl\u00e4sslichkeit entscheiden ma\u00dfgeblich \u00fcber Investitionen in der Industrie \u2013 gerade in Zeiten einer Transformation mit erwartbar erh\u00f6htem Strombedarf f\u00fcr neue klimaneutrale Prozesse. In Bayern kennen wir diese Systematik eigentlich auch ganz gut, denn die weitsichtigen energiewirtschaftlichen Infrastrukturentscheidungen der Vergangenheit (Atomkraft, TAL-Pipeline und Co.) haben den Aufstieg des Freistaats von einem Agrarland zu einem international f\u00fchrenden Industriestandort erst erm\u00f6glicht.<\/p>\n


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Die aktuellen Probleme und Herausforderungen in der Energiepolitik sind <\/strong>aber nur ein Symptom einer viel tieferliegenden und fundamentaleren Schieflage.<\/strong><\/h4>\n

In den letzten Dekaden haben wir uns von dem einstigen Erfolgsmodell unserer Wirtschaftsordnung \u2013 der Sozialen Markwirtschaft \u2013 immer weiter abgewendet und geraten in den h\u00f6herf\u00f6deralen Ebenen des Bundes und der EU immer tiefer in eine regelrechte neodirigistische Spirale der planwirtschaftlichen Mikroregulierung.<\/p>\n

<\/i><\/i>Die Symptome sind vielfach zu beobachten:<\/div>
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