Bayerische Chemieindustrie fordert Planungs- und Investitionssicherheit
8. Juli 2015Industrie 4.0: Digitale Transformation der Industrie
21. Juli 2015Mitgliederversammlung 2015 – Vorstandswahl und mahnende Worte
Am 08.07.2015 fand die gemeinsame Mitgliederversammlung des Vereins der Bayerischen Chemischen Industrie e.V. (VBCI) und des Verbands der Chemischen Industrie e.V., Landesverband Bayern (VCI-LV Bayern) im Münchner Künstlerhaus statt. Dort haben die Mitgliedsfirmen turnusmäßig ihren Vorstand und die wichtigsten Gremien für die nächsten zwei Jahre gewählt. Der amtierende Vorstand wurde einstimmig im Amt bestätigt. Neu in den Vorstand gewählt wurde Bernd Eulitz, Vorstandsmitglied der Linde AG. Er folgt Prof. Dr. Aldo Belloni, der am 31.12.2014 bei der Linde AG in den wohlverdienten Ruhestand getreten ist und damit auch aus dem Vorstand der Bayerischen Chemieverbände ausgeschieden war.
Dr. Günter von Au, Vorstandsvorsitzender, dankte den Mitgliedern für das entgegengebrachte Vertrauen und vor allem für die bisherige vertrauensvolle Zusammenarbeit.In seiner anschließenden Rede vor den Vertretern der Mitgliedsunternehmen und auch später im öffentlichen Teil der Mitgliederversammlung, verwies von Au auf die Herausforderungen der aktuellen Wirtschaftspolitik in Deutschland. Er betonte dabei, dass Erfolge nicht von ungefähr kämen. „Von nichts kommt nichts – aber was weg ist, ist weg!“ Dies gelte auch für unseren Industrialisierungsgrad und den damit einhergehenden Wohlstand. Es habe viele Jahrzehnte gebraucht, bis Deutschland zu einer der wichtigsten Industrienationen geworden sei und damit zum heutigen Wohlstand gefunden habe. Wenn aber die Rahmenbedingungen für ein wettbewerbsfähiges Wirtschaften in Deutschland nicht mehr gegeben seien, werde auch der Industrieanteil sehr schnell wieder zurückgehen, so von Au.Anhand der Beispiele EEG und Mindestlohn sowie Rente mit 63 verdeutlichte von Au, wie die Politik – vermeintlich zum Wohl der Bürger – ohne Not unseren Wirtschaftsstandort schwäche.Auch die Diskussion um eine sichere Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Kosten nannte er beispielhaft für fehlende Planungs- und Investitionssicherheit in Deutschland und Bayern. Dabei begrüßte von Au zwar grundsätzlich die kürzlich erzielte Einigung zwischen den Parteispitzen der Koalition zur Frage der Stromtrassen und dem nationalen Klimaschutz. Er mahnte aber: „Durch die geplanten Maßnahmen wird unser Strom mit Sicherheit teurer. Bei aller Diskussion um Versorgungssicherheit wurde schlicht ignoriert, dass Versorgungssicherheit zwar eine entscheidende, aber eben nicht die einzig entscheidende Rahmenbedingung ist. Die andere lautete schon immer „Bezahlbarkeit“. Eine sichere Stromversorgung, die mangels Bezahlbarkeit immer weniger Abnehmer findet, hat ihr Ziel verfehlt. Die nationalen Klimaschutzziele leistet sich Deutschland im Übrigen nur, weil es Musterschüler sein will und nicht, weil es wirkungsvoll wäre. CO2-Emissionen werden dadurch nicht eingespart, da diese über das europäische Zertifikatesystem ETS definiert werden.“
In seinem Bericht über die Arbeit der verschiedenen Verbandsgremien gab Albert Franz, Vorstandsmitglied der Bayerischen Chemieverbände, einen Überblick über die Schwerpunkte der letzten zwölf Monate. Neben dem Thema „Energie“ prägten auch verschiedene Umweltthemen die Verbandsarbeit. Vor allem die „Dauerbrenner“ Industrieemissionsrichtline, BVT-Schlussfolgerungen, REACH und CLP sowie – ganz aktuell – die Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie verlangten volle Aufmerksamkeit. Als Vorsitzender des Tarifpolitischen Ausschusses bewertete er zudem die Tarifpolitik und den letzten Tarifabschluss aus Verbandssicht. „Wir haben insgesamt einen Abschluss erzielt, der mit 2,8 % wieder Anschluss an die wirtschaftlichen Realitäten findet und damit prozentual ein wichtiges Signal sendet. Darüber hinaus leistet er strukturell mit einer Laufzeit von 17 Monaten und mit zusätzlicher Flexibilität durch bis zu drei Leermonate einen konstruktiven Beitrag zum Flächentarif. Insgesamt ein guter Abschluss, mit dem, auch angesichts der Fortschreibung des Demografiefonds, beide Seiten zufrieden sein können.“
Vor Eintritt in die Regularien erstattete Walter Vogg, Hauptgeschäftsführer der Bayerischen Chemieverbände, seinen Bericht der Geschäftsführung. Er spannte dabei einen Bogen vom vielfältigen Dienstleistungsangebot der Verbände, über die Tarif-, Sozial- und Gesundheitspolitik, bis hin zum leidigen Energiethema und dem geplanten 5. Umweltpakt.„Regulieren und Verteilen“, unter dieses Motto stellte er viele Entscheidungen der Großen Koalition, die im krassen Widerspruch zu dem erst kürzlich vom Bundeswirtschaftsministerium initiierten Bündnis ‘Zukunft der Industrie‘ stünden. So führe die Rente mit 63 zu einer Verschärfung des Fachkräftemangels und ungeplanten Kostensteigerungen in Milliardenhöhe. Zudem drohe nach den Bürokratiemonstern Mindestlohn und dem geplanten Entgelttransparenzgesetz weiteres Ungemach bei der Zeitarbeit und bei den Werkverträgen. Einen Ausweg aus dem Dilemma ständig steigender Kosten sieht Vogg vor allem im Bereich Innovation. „Wir müssen immer um so viel besser sein, wie wir teurer sind“ – auch diese alte Erkenntnis erfordere politische Führung wenn es darum geht, in unserer Gesellschaft Akzeptanz für neue Technologien zu schaffen. Hier werde in der Zukunft sehr viel von der Bereitschaft abhängen, Innovationen in unserem Land zu unterstützen und deren Umsetzung in Wertschöpfung in Deutschland und Bayern zu ermöglichen. Einen wichtigen Beitrag der Chemieverbände hierzu sieht Vogg in den seit vielen Jahren angebotenen Informations- und Fortbildungsveranstaltungen für Schüler und Lehrer im Bereich der Naturwissenschaften: „Wenn es uns gelingt, Skepsis und Angst durch Neugier und Wissen zu ersetzen, wird vielen medialen Angstmachern der Nährboden entzogen“.
Prominenter Gastredner im öffentlichen Teil der Mitgliederversammlung war Günther Oettinger, EU-Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft. In seinem brillanten Vortrag bekannte sich Oettinger nachhaltig zur engen Abhängigkeit von Industrie und Wohlstand. Dabei betonte er vor allem die Notwendigkeit einer leistungsfähigen Infrastruktur, um industrielle Wertschöpfung und damit Arbeitsplätze und Wohlstand in Europas Industrieregionen zu sichern. Mit der Ablehnung von Innovationen und neuen Technologien, kostenträchtigen Kompromissen bei der Energieversorgung und Widerstand gegen Handelsabkommen wie TTIP werde Deutschland seine Position nicht halten können und zu den Verlierern im globalen Wettbewerb zählen. Dies gelte in besonderem Maße auch für die sich heute schon abzeichnenden großen Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung. „Deutschland und Europa fällt hier bereits jetzt im Vergleich zu den USA und einigen Ländern Asiens zunehmend zurück“, mahnte Oettinger.
Im Rahmen der Mitgliederversammlung der Bayerischen Chemieverbände fand auch die Siegerehrung des diesjährigen Responsible-Care-Landeswettbewerbs 2015 statt. Sieger wurde die WACKER Chemie AG mit dem Projekt „Transportoptimierung für Überseetransporte“. Jörg Krey, Leiter des Bereichs Technischer Einkauf und Logistik bei WACKER, nahm die Auszeichnung vom Vorstandsvorsitzenden der Bayerischen Chemieverbände, Dr. Günter von Au, entgegen. Neben dem Siegerprojekt wurden aber auch alle weiteren Beiträge mit einer Teilnehmerurkunde geehrt.